Author: Julian Turner
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Früher war mehr Auslegware
Katharina J. Cichosch in der Taz über “Am Ende des Ganges”
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Am Ende des Ganges
Mit „Am Ende des Ganges“ transformiert Julian Turner die heutigen Standards der idealen Kunst-Präsentation: Der hochgepriesene White Cube wird durch Tapete, cordartigen Messeteppich in Beige und Braun und angetäuschter Spiegelwand – am Ende des Ganges – in die Schranken gewiesen und verwandelt den Ausstellungsraum in einen endlosen Konferenzraum in 80er-Jahre Ästhetik.
Dass es sich bei der Tapete um eine auf Papier gedruckte Malerei von ihm handelt, die wiederum Kompositgestein zitiert, jenes Steinimitat wie es in den späten 70ern und 80ern daherkam, veranschaulicht Julian Turners künstlerische Strategie. Zitat, Selbstzitat und Materialzitat werden in Collagen, Modellen und Objekten miteinander verwoben, indem Fotos Objekte und Objekte Fotos mit gepaarten Materialinterpretationen ersetzen. Neue Bedeutungsebenen werden durch seine typische Manier, die sich als intendierte Amateurhaftigkeit beschreiben lässt, ergänzt.
Turners Interesse gilt dem in die Jahre gekommenen: runde Ecken, dicke Rahmen, den Farben Orange, Beige, Braun, der Kohl-Ära zwischen Wohlstand und Verwahrlosung oder konkret etwa der magisch verheißungsvollen Schütttechnik des Pocket Coffee Schokoladenkonfekts. Julian Turner hat dabei keine Scheu, sich an den Größen der ikonischen Malereien zu bedienen und sie mit Elementen im Spannungsfeld zwischen sozialer Sicherheit und drohendem Atomschlag, mondänem Metropolitanspruch und piefiger Provinz-Attitüde anzureichern. In „Elephant in the Room“ stattet er das Gemälde „Die Malkunst“ (um 1666/1668) von Vermeer mit Pirelli-Noppenboden, der U-Bahnkarte von Westberlin und einer geschlechtslosen Figur der Schockbilder von Zigarettenschachteln aus; die Arbeit „Deux Bars“ greift Manets „Bar in den Folies-Bergère“ (1882) auf und katapultiert es mit der Hoshizaki-Eiswürfelmaschine, Ernte 23-Aschenbecher, anbiederndem Stammgast und einer Riege an Turnerschen Alkoholika in die allabendliche Trinker-Tristesse. Die optischen Ungereimtheiten der kunsthistorisch aufgeladenen Vorlage miteinbegriffen. Die Bar im doppelten Sinne ergänzt Julian Turner selbstverständlich um einen tatsächlichen Tresen.
„Am Ende des Ganges“ ist Julian Turners vierte Einzelausstellung in der FILIALE. In Hamburg geboren, immigrierte er vor langer Zeit nach Wien, wo er unter anderem bei Amelie von Wulffen und Julian Göthe an der Akademie der bildenden Künste Wien studierte. Im nächsten Jahr wird er das HIAP-Atelierstipendium in Helsinki antreten.
Katharina Baumecker
Automatiek, 2024
wood, cardboard, paper, spray paint, 115 x 171 cm„Bistro CH“, 2024
XPS, Kunststoff, Öl auf Papier, Stahl 22 x 45 x 7,5 cm„Lüftung mit System“, 2024
Acryl, Öl auf Karton, Rahmen: Acryl auf Styrodur, 114 x 89 cm„Deux Bars“, 2024
Öl auf Leinwand, Holz, Bauschaum, XPS, Metall, Papier, Acryl, 153 x 130 cmPresse:
- Früher war mehr Auslegware, Katharina Cicosch in der Taz
- Ich war eine Dose, Christoph Schütte in der FAZ
Fotos: Wolfgang Günzel, Offenbach
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Alles hier ist fake, Attrappe oder Zitat
Katharina Cichosch in Monopol über das “House of Flowers“, das als dauerhafte Installation der Sammlung Grässlin im Bahnhof St. Georgen im Schwarzwald zu sehen ist.
Apropos Kippenberger: Leider verpasst haben wir an diesem Tag den nach seinen Plänen erstellten, sagenumwobenen U-Bahnschacht mitsamt passenden Geräuschen auf der grünen Wiese, der die Schwarzwälder Kleinstadt mit den Mitteln der Kunst nun endgültig ans Netzwerk der Metropolen anbindet. Solche Dauerinstallationen aus der Sammlung Grässlin gibt es einige in St. Georgen zu entdecken. Auch am Bahnhof, wo unter anderem Julian Turners “House of Flowers” ein neues Zuhause gefunden hat.
Ein Aufenthaltsräumchen stellt sich als Installation des Wiener Künstlers heraus – alles hier ist fake, Attrappe oder Zitat. Die gekachelten Wände setzen sich aus Kaugummidragee-Fotografie zusammen, Pokale und folkloristische Schnitzereien rekurrieren auf ähnliche Artefakte im Museum der Geschichte Jugoslawiens.
Derweil fährt ein Zugmodell nirgendwo mehr hin. Das Haus der Blumen im serbischen Belgrad, in dem sich das Mausoleum des letzten jugoslawischen Staatsführers Josep Broz Tito befindet, ist heute Teil eines historischen Museums. Aber auch Pilgerstätte für jene, die dem untergegangenen Land nachtrauern. Die titelgebenden Pflanzen, tropisch-üppige Gewächse wie aus einem Fassbinder-Filmset, wachsen hier unbeeindruckt jeder Zeitgeschichte fort.
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Where the Sun Sets
Matthias Noggler & Julian Turner
Wunder-Bar, Wien
07.09. – 18.10.2022Photos: Maximilian Anelli-Monti
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Genuinely Fake
Ramona Heinlein über Julian Turner in der Galerie FILIALE, Frankfurt/M.
Texte zur Kunst #127: Resortization, September 2022 -
Premium
Premium
Apr 5—May 14 2022In „Premium“ zeigt Julian Turner mit liebevollem Fingerzeig und humorvoller Infragestellung der Konventionen im Kunstbetrieb, was die Welt der aufgewerteten Gebrauchsgüter alles zu bieten hat. Vom Zen-Garten über Hotelbars, Rolex, fettmarmoriertem Kobe-Fleisch, Trüffel und Pata Negra Schinken, dem Benz mit Vorzugsausstattung und dem eigenen Weingut – Turner lädt ein: Ride the Premium Wind!
Alltagsästhetiken in Motiven aus Lifestyle, Kulinarik, Architektur und Technik führt er in seiner Manier fort und zeigt in seinen Neuinterpretationen ihre hintergründige Anziehung.
Zitat, Selbstzitat und Materialzitat werden in Collagen, Modellen und Objekten miteinander verwoben, indem Fotos Objekte und Objekte Fotos mit gepaarten Materialinterpretationen ersetzen. Neue Bedeutungsebenen werden durch seine typische Manier, die sich als intendierte Amateurhaftigkeit beschreiben lässt, ergänzt. Gold- und Aluminiumfolie statt ihrer karätigen Varianten, Kaffeesatz statt Kies, Keramiplast statt Porzellan, self-made statt Readymade. Die silbernen Plaketten mit den Aufschriften „Avantgarde“, „Grand Edition“ und „Elegance“, die einige Arbeiten der Ausstellung zieren, gehen zurück auf die Ausstattungslinien der noblen Mercedes-Karossen. Im Ausstellungskontext von „Premium“ veredeln die aus profaner Aluminiumfolie gefertigten Schilder den abgehängten Fisch zum „Avantgardefisch“ und das Fleisch im Reifeschrank zum „Grand Edition Grill“. Der Delikatess-Kaviar der Metro-Eigenmarke „Aro“ im 5 kg Eimer offenbart erst durch seinen „doppelten Boden“ sein eigentliches Luxusgut, das derzeitige Objekt der Begierde, die Mehltüte der Fima „Diamant“. Das Bild „PREMIUM PREMIUM“ ist Turners Neuinterpretation eines Schaufensters der high fashion Marke „Miu Miu“. Neben dem umgedeuteten Markennamen im Titel übernimmt er in seiner Version auch die geschmackvoll arrangierte Auslage – weniger ist mehr, hier regelt das reduzierte Angebot das Begehren – mit einer einsamen Flasche feinstem „Chateau Turner“, Jahrgang 1985, im Display.
Mit der Arbeit, die den simplen Titel „Aufbewahrung“ trägt, greift Julian Turner die Stack-Serie der US-amerikanischen Minimal Art Koryphäe Donald Judd auf: in acht vitrinenartigen Kästen zeigt Turner die Fülle seiner Premium-Welt, wobei sich jeder Kasten einem bestimmten Themenbereich widmet. Statt der Judd’schen Ablehnung jedweder manuellen Herstellung, Komposition und Emotion sind es bei Turner eben genau diese Modi, die das Charakteristikum seiner Arbeiten ausmachen.
„Premium“ ist Julian Turners dritte Einzelausstellung in der FILIALE. In Hamburg geboren, immigrierte er vor langer Zeit nach Wien, wo er unter anderem bei Amelie von Wulffen und Julian Göthe an der Akademie der bildenden Künste Wien studierte. Mit „Bar du Bois“, einem Hybrid aus Ausstellungsraum, funktioneller Bar und kollaborativem Kunstprojekt, hat er ein sich immer weiter entwickelndes Format ins Leben gerufen, das eine soziale Unterwanderung des Ausstellungsraums unternimmt.
Katharina Baumecker
Photos: Wolfgang Günzel, Offenbach
Kritik: Genuinely Fake Reviewed by, Ramona Heinlein in Texte zur Kunst #127 (German) -
Senator Lounge
FOX, Vienna
18 February – 5 March 2022Premiumise or perish. Oysters, Wagyu beef, lobster, and caviar are absolute necessities in attracting a top-tier art audience in today’s fast-paced economy. The growth of a global elite is accompanied by a hollowing out of the middle.
This may or may not be an accurate replica of a first class airport lounge. I’ve never been in one. My research suggests they look the same all over the world: Minimalist modernism with the extra comfort plus package. Except the British and middle eastern ones, they’re a bit more gaudy.
You have a choice: The choice between plain, plebeian olives, or PREMIUM olives with a picture of Pierce Brosnan. This is the banality of luxury.
Whether it’s a dictator’s mausoleum, a Venetian water bus, upmarket premium distinction branding, or large-scale train models: I’ll admit that I’m using these topics as a vehicle to discuss the questions that matter to me: Materiality, material quotes and imitations, the boundaries of sculpture and space, high art vs. low art. I’ve taken the wood texture for this Senator Lounge from a pedestal supporting works by another artist. This texture is then printed on paper which is glued to another layer of paper, which is placed over a board of wood.
Dear valued premium customer! Your satisfaction is of utmost importance to us. We hope you enjoyed your stay in this Senator Lounge.– Julian Turner
Photos: Stefan Lux, Julian Turner
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Saliera
To comply with Covid distancing rules, some tables at Salzamt must remain free. The restaurant’s architect, Hermann Czech, made very efficient use of the space.While these tables may not host people, they can still support objects. So I initiated a festival of small sculptures. It is named Saliera, after the epitome of table sculptures, a gold-and-ebony salt container commissioned by Francis I of France. This receptacle, apparently called a salt cellar in English, is on display at Vienna’s Kunsthistorisches Museum. This wasn’t always the case though, it was abducted for some time.Salt was once Austria’s most precious resource for trade. The restaurant Salzamt, the salt office, is built on the spot where the salt that was delivered on the river Danube would be taxed.Karoline Dausien, Julia Goodman, Erik Haugsby, and Laurence Sturla kindly provided works for the first stage of Saliera. The festival will continue until all the tables may be taken up by eaters again. -
Na drugi pogled // Auf den zweiten Blick // At Second Glance
Online Exhibition
Austrian Cultural Forum, Belgrade (RS)March 15th – April 30th 2021
The new online platform of the Austrian Cultural Forum was created in view of the current uncertain circumstances, but also opens the opportunities for the new forms of artistic creation and communication. It is conceived as an exhibition space for thematic and curated art content, which in the initial phase consists of works by 10 visual artists from Serbia and 10 from Austria that arrived for the competition announced for this occasion.
The selected artists from Austria are: Catrin Bolt, Eva Maria Schartmüller, Hannah Priemetzhofer, Hannah Stippl, Julian Turner, Leonhard Pill, Michael Heindl, Sangam Sharma, Ulrich Reiterer and Walter Kratner.
The selection of artists from Serbia is: Aleksej SivÄević, Andrea PalaÅ¡ti, Boris Burić, Doplgenger (Isidora Ilić, BoÅ¡ko Prostran), Igor Ripak, Ivana Ivković/Marina Marković, Lana Vasiljević, Mariela Cvetić, Mirjana ÄorÄ‘ević Thaler and Tijana Petrović.
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Friendly Reminders
Mit zwei Mädchen ist nicht gut Cabrio fahren Die Grenze des guten Geschmacks Diplom Bildende Kunst Der Bäcker Mit Stäbchen New Rome Antics Swiss Vibe Check Der Ché Liebe auf den ersten Blick / Black & White Das Kannibalistenschwein / Altpapier Der Chef / Die Chefin Gepflegtes Aussehen ist kein Zufall Die Impfung New York / Pizza -
Artforum International, Caroline Lillian Schopp on “4×1 = 30”, April 2020
(…) While Ackroyd, Clement, and Zamojski reflected on the human by displacing it, Julian Turner took a more direct approach. In his installation Schön im Öl (Beautiful in the Oil), 2020, the artist investigated the infrastructures of geopolitics using clever dissonances of scale: Pink Viennese treats from the Aida coffeehouse chain, Swiss Parisienne cigarettes, Italian panettone, plenty of empty German beer cans, and a roll of toilet paper were assembled to create a rough model of the oil refinery near Vienna’s airport. This was, in a certain sense, Anthropocene art, in which the Great Acceleration was not graphed as an increasingly severe asymptote but rather pictured as a series of temporal and above all visual ruptures. In a group of related collages, cutouts of photos of fancy cuisine—from soufflés to herbed scallops—from old magazines were pasted over pictures of the refinery’s chemical-processing units. Turner’s works thus embedded imagery of midcentury prosperity and hospitality—along with the promised pleasure of collective consumption—within its inhospitable industrial excretions, all the while trying to maintain spaces in which the party could keep going on. Bringing together the compelling work of four disparate artists, “4 × 1 = 30” was a thoughtful exhibition that attested to our present environmental precarity, performing a timely, cautionary, and sometimes delightful equation of surplus value.
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Unter Flaschen. Die Fledermaus in der Bar du Bois
Wegen COVID-19 wird die Ausstellung “unter flaschen – die Fledermaus in der Bar du Bois” verlängert:
14.5.2020 – 27.6.2020 und 9.9.2020 – 24.10.2020
Eine Ausstellung von Bar du Bois in Zusammenarbeit mit der Klasse Skulptur und Raum/Hans Schabus, Universität für angewandte Kunst Wien
Eingeladen von Cosima Rainer, Leitung Kunstsammlung und Archiv
Beteiligte Künstler_innen:
Chiara Bals, Diana Barbosa Gil, Katrine Bobek, Eva Engelbert, Daniel Fonatti, Johannes Frauenschuh, Andreas Harrer, Anna Hostek, Anastasia Jermolaewa, Gea Kalkhof, Selma Klima, Leena Lübbe, Felizitas Moroder, Ann Muller, Florian Pfaffenberger, Raphael Pohl, Carolina Rotter, Lisa Sifkovits, Julia Steinbach, Stefan Thater, Julian Turner, Maria VMier, Astrid Wagner, Johanna Odersky, Bartholomaeus Wächter, Laura WelkerUniversitätsgalerie im Heiligenkreuzer Hof Wien
Heiligenkreuzer Hof Stiege 8, 1.Stock
Eingang über Schönlaterngasse 5
oder Grashofgasse 3
1010 Wien -
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8 February – 14 March 2020
Filiale, Frankfurt