7 February – 14 March 2020
Photos: Wolfgang Günzel, Offenbach
Der Titel von Julian Turners zweiter Ausstellung in der FILIALE benennt, worum es auf den ersten Blick zu gehen scheint – um Architektur und Kulinarik. Hier werden Ästhetiken fortgeführt und freigestellt, die erst in der feinfühligen Neuinterpretation ihren wahren Charme zu offenbaren scheinen. Sie bieten nicht nur den Kontext für die Geschichten, Anekdoten, Katastrophen und Witzchen, die sich um sie ranken, sondern führen sie humoristisch zusammen.
Vor Modellen von Statussymbolen posieren hier Kreative, Investoren oder die, denen ihr fragwürdiger Ruhm schlicht zugefallen ist. So mimt Julian Turner auf seiner Einladung Constantin von Österreich, den frischgebackenen Chef des weltweit größten Schiffsfinanziers der HSH Nordbank. Die Bank wurde 2014 vom Spiegel als das schwächste Glied unter den wackligen deutschen Banken tituliert und so heißt auch das mit Zigarettenschachteln beladene Schiff im Zentrum der Ausstellung.
Die Arbeit Not impressed/nicht eingedrückt zeigt Ludwig Mies van der Rohe stolz hinter dem Architekturmodell des Illinois Technical Building – sein legendärer Barcelona Pavillon ziert die Rückwand der Galerie als Bahnhofsspätkauf. Der Travertin des Originalpavillons wurde mit Fotos von Kartoffeln und Kartoffelschalen nachempfunden. Auf der Arbeit Turner – Horror Delight findet sich erneut der Barcelona Pavillon, diesmal mit Schinken ausgekleidet als Pabellón Jamón.
Julian Turners Materialzitate ersetzen das Material und stellen das „Original“ in den Schatten. Die hochwertige Metallverkleidung der Arbeit Ohne Titel entpuppt sich bei näherem Hinsehen als handelsübliche Aluminiumfolie. Darauf posiert Bruno Sacco, der von den 70er bis in die 90er Jahre das Design von Mercedes prägte, nebst Francesco Schettino, dem ehemaligen Kapitän der gesunkenen Costa Concordia. Apropos Haverie: Die Arbeit Interesting Times direkt nebenan erinnert an das schlimmste Hochwasser, das Venedig seit 1966 erlebt hat. Filz und Gier ließen die Gelder für den Hochwasserschutz versickern, während das Hafenbecken für riesige Kreuzfahrtschiffe immer tiefer ausgehoben wurde. Und über der Arbeit Malerei Vollklimatisiert, die der ehemaligen Terminus Klause, dem Kulttreffpunkt der jungen Frankfurter Kunstszene gewidmet wurde, thront die Uhr Allzeit bedankt, die jede volle Stunde mit einem Merci anzeigt.
Der vor langer Zeit nach Wien immigrierte Hamburger Julian Turner hat bis 2017 bei Amelie von Wulffen und Julian Göthe an der Akademie der Bildenden Künste studiert und in Wien die Bar du Bois ins Leben gerufen, einen wandernden Ausstellungsraum mit kulinarischem Anspruch.
Marina Rüdiger