Südbahnhof Hinterland

C-Prints, 80×60 cm, 2009

für unORTnung V, kuratiert von Veronika Barnas & Georg Schöllhammer

Die Anlagen des Südbahnhofes trennen Favoriten von den Wiener Innenbezirken. Sie übernehmen die Funktion des Linienwalls, der die Stadt Wien umgab. Aus Richtung Innenstadt kann man den Bezirk nur durch eine von drei Bahnunterführungen betreten. Die Betriebsanlagen hinter dem Bahnhof wirken wie ein Grenzstreifen, eine Art Niemandsland. Selbst bei regem Rangierverkehr scheint es hier viel ruhiger als etwa in der nahen Gudrunstraße. Alles, selbst Gebäude, die wahrscheinlich keine 30 Jahre alt sind, wirkt wie ein Relikt aus längst vergangegen Zeiten. Und das wird es auch bald sein.
Mein Streifzug ist natürlich von niemandem genehmigt. Die Regeln scheinen einfach: Wenn ich so verhalte, dass man mich ignorieren kann, wird man mich ignorieren. Hier arbeiten Eisenbahner, keine Securities. Ich frage niemanden um irgendeine Erlaubnis, denn wahrscheinlich kann man mir sowieso keine geben. Ein friedlicher Spaziergang durch die Mondlandschaft der Baustelle, entlang der Lokschuppen auf der Ostseite, bis zu den Abstellgleisen mit historischen Fahrzeugen.
Der Süd- und Ostbahnhof entstand als Provisorium und Kompromiss, und blieb immer als solcher bestehen. Zweimal wurden beide komplett neu gebaut, jedes Mal zwar mit gemeinsamer Halle, jedoch ohne auch die Gleise zusammenzulegen. Jetzt wird dieser Fehler endlich berichtigt, und auf dem bisherigen Bahnhofsgelände soll ein neuer Stadtteil entstehen. Ein neues Stück Favoriten wird baulich viel weniger von seinen Nachbarn getrennt sein. Mehrere neue Straßen sollen unter dem Bahnhof hindurchführen. Doch der nächste Fehler wird gleich mitgeplant: Die U2 soll in das neue Stadtviertel verlängert werden – aber durch das dünn besiedelte Gebiet des Arsenals. Der neue Bahnhof wird weiträumig umfahren, und bei der Gudrunstraße soll auch schon Schluss sein, gerade am Beginn der alten Bebauung durch Zinshäuser und Gemeindebauten. Schließlich will man sich den Plebs aus der Vorstadt auch weiterhin so gut wie möglich vom Leib halten.

Foto: Gregor Graf